Rede der Vertreterin des Mannheimer Bündnis für gerechten Welthandel auf der Kundgebung der Fridays for Future Demonstration am 24. Februar 2023
Herzlichen Dank an das Friedensbündnis Mannheim für die Organisation dieser wichtigen Veranstaltung und für die Möglichkeit, hier reden zu dürfen.Da ich jetzt Dinge sage, die so in Mainstream-Medien nicht dargestellt werden, stelle ich meinen Worten folgendes voran, um Missverständnissen vorzubeugen:
Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und bricht das Völkerrecht der staatlichen Souveränität der Ukraine. Er verursacht ungeheures Leid bei allen Betroffenen. Alle, die vor ihm fliehen müssen, verdienen unseren Schutz. Er birgt das ungeheure Risiko einer Eskalation zum 3. Weltkrieg, eines Atomwaffeneinsatzes oder eines GAUs. Daraus folgt für mich, dass alles getan werden muss, um den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Das kann nur gelingen, wenn am Ende die Sicherheitsinteressen aller berücksichtigt sind.
Ich bin nicht in der Lage, zu sagen wie es genau geschehen kann und was die Bedingungen sind und werde deshalb keine solche Diskussion anfangen. Das ist die genuine Aufgabe für Diplomatie und Politiker*innen.
Was ich als Wissenschaftlerin hier tun kann, ist Informationen zusammenzustellen. Darauf basierend kann man informierte Entscheidungen treffen, anstatt aus dem Bauch heraus Schnellschüsse zu starten. Mir ist schon aufgefallen, dass jeder eine Meinung zu dem Krieg und seinen Lösungen hat. Sonst höre ich immer bei einer Diskussion über komplexe und kontroverse Themen, dass jemand sich da nicht auskennt und deswegen sich keine Meinung bilden kann. Aber hier – halten sich auf einmal alle für Experten.
Ich vermisse in den Mainstream – Medien fast immer eine nüchterne Betrachtung, die Ungewissheiten und Fragen zulässt. Wenn man genau hinhört, werden wir regelmäßig auf einen langen Krieg eingeschworen. Mit welchen Zielen?
Die westlichen Werte müssen verteidigt werden! Dabei wird hier immer vergessen, dass die westlichen Werte für einen großen Teil der Welt eine ganz schlechte Bedeutung haben – nämlich in allen ehemaligen Kolonialstaaten. Das ist auch eine Ursache, weshalb die Mehrheit der Weltbevölkerung den Einmarsch Russlands in der Ukraine nicht verurteilt hat bei der UNO-Abstimmung.
Die Ukraine muss gewinnen – wenn ich das höre, wird mir schlecht. Ich weiß, dass dann praktisch alle (inklusive der Ukraine, gemeint sind die dort lebenden Menschen) verlieren werden. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde klar, dass China nicht zulassen wird, dass Russland verliert – was ja der Fall wäre, wenn die Ukraine gewinnt. Diesen Sieg zu fordern führt also direkt in einen 3.Weltkrieg.
Wir leben in einer globalisierten Welt. Es verlieren jetzt schon Menschen, die gar nicht direkt betroffen sind, so führt das Stocken der Versorgung mit preiswertem Getreide im Nahen Osten und Ostafrika sofort zu Hunger für die Ärmsten. Jetzt wird Putin angelastet, dass er das als Kriegswaffe einsetzen würde. Aber wenn man sich die Zahlen zur Produktion und Verfügbarkeit von Getreide ansieht, zeigt sich, dass es trotzdem zurzeit genügend Getreide auf dem Weltmarkt gibt, nur ist die Spekulation an den Finanzmärkten sofort angesprungen und erzeugt große Preisinstabilitäten. Und wenn man tatsächlich helfen will: ganz kurzfristig kann man die Nutzung von Getreide als Bioethanol in Kraftstoffen verbieten.
Kommen wir aber zu dem Hauptproblem, dass uns alle trifft, früher oder später: die fortschreitende Klimakatastrophe. Dazu folgendes:
Die Emissionen des Militärs wurden aufgrund starken Lobbydrucks bei den ganzen Berechnungen im Pariser Klimaabkommen nicht mitgezählt. Dabei sind sie schon in Friedenszeiten gigantisch. Allein das US-Militär hat geschätzt einen CO2-Fußabdruck größer als Schweden, etwas kleiner als die Schweiz. Eine umfangreiche Studie der Scientists for Global Responsibility von 2022 schätzt den globalen CO2-Fußabdruck des Militärs auf 5,5 %, damit wäre das Militär das viertgrößte Land der Erde nach China, USA und Indien. Und jetzt soll noch massiv aufgerüstet werden!
Soviel zum Militär als solchem. Was passiert dann im Krieg? Der Krieg in der Ukraine ist in dieser Hinsicht gut dokumentiert, z.T. auch, um Russland mit Schadensersatzforderungen konfrontieren zu können. Ich möchte die Zahlen für die ersten 7 Monate Krieg vorstellen, erstellt von der Initiative on GlassHouseGas Accounting of War. Etwa die Hälfte der Emissionen kommen von der zerstörten Infrastruktur (also was beim Wiederaufbau dann emittiert wird), knapp ein Viertel sind die ausgelösten Feuer, 15% die Lecks der zerstörten pipelines North stream 1 und 2 und schließlich knapp 10 % für die Kriegsführung selbst. Insgesamt beträgt die Summe für 7 Monate Krieg knapp 100 Mio. t CO2 Äquivalente, das entspricht knapp der Jahresemission von Belgien.
Wir müssen rasche Lösungen finden. Die Klimakatastrophe nimmt durch den Krieg und die Aufrüstung gerade rasant an Fahrt auf und wird die Lebenschancen der jungen Generation weiter zerstören. Alles, was derzeit von der Politik hier und überhaupt im Westen gedacht wird, führt in die falsche Richtung. Wenn ich mich hier umsehe, sind es vor allem meine Generation und noch Ältere, die sich hier versammelt haben. Warum? Man kann es der jungen Generation nicht anlasten.
Gerade die jungen Menschen haben wenig Erfahrung mit Krieg, den älteren ist er von Kind an sehr gegenwärtig gewesen. Meine Großmutter hat ihren ersten Mann im ersten Weltkrieg verlorenen, den zweiten im zweiten. Sie wusste, was Krieg ist. Sie war eine reflektierte und kommunikative Frau und so waren es meine ersten Lektionen in Sachen Krieg. Ich habe auch noch die Zerstörungen in den Städten gesehen. Für mich lagen die permanenten Kriegsdrohungen des kalten Krieges wie ein Schatten über meiner Jugend. In der Diskussion um die Nachrüstung in den 80iger Jahren habe ich genauer erfahren, wie kaltblütige militärische Strategien aussehen und angefangen, mich heftig zu wehren.
Deutschland wäre nach dem AirLandBattle-Konzept der US-Army ein Schlachtfeld of high intensity warfare gewesen, atomar, biologisch, chemisch.
Für die nach 1985 Geborenen war in Deutschland dann jede Bedrohung durch einen Krieg glücklicherweise weit weg und ich sehe es auch als einen großen Erfolg der Friedensbewegung damals. Aber jetzt müssen wir wieder über Krieg in allen seinen Facetten reden! Offen! Mit allen! Über Generationen hinweg! Und in dem öffentlichen Diskurs darf man nicht Fakten ausblenden, was leider mit immer schrilleren Tönen geschieht.
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